Cinque Terre: Eine Kulisse wie bei Malen nach Zahlen

Cinque Terre stand schon seit einiger Zeit auf meiner Ausflugs- und Kurztrip-Ideen-Liste. Als ich Anfang März in einem Bericht über Ligurien las, dass die fünf malerischen Dörfer an der italienischen Riviera an Ostern besonders und danach den ganzen Sommer über an den Wochenenden von Touristenströmen geradezu überrollt würden, war für mich klar, dass ich bald, sehr bald, auf jeden Fall noch vor Ostern, hinreisen würde. Was für ein Glück, dass Ostern dieses Jahr so spät fällt. Das gab mir noch etwas Luft für die Planung.

Als erstes überlegte ich mir, ob ich alleine nach Ligurien reisen oder ob ich mich um eine nette Begleitung bemühen sollte. Ich wollte dem Projekt „Gspänli“ zumindest eine Chance geben und schrieb drüben bei Spontacts eine entsprechende Annonce aus:


Hallo Leute
Ich plane einen 4-Tages-Trip (3 Übernachtungen) in die malerischen Dörfer der Cinque Terre und hätte nichts gegen eine nette Begleitung (Männlein oder Weiblein, 38-52 Jahre) einzuwenden.

Folgende Eckdaten zum Trip:

  • Wann: 5.-8.4.19 oder 12.-15.4.19
  • An/Rückreise im Zug
  • Aktivitäten vor Ort: Wandern, Pasta, Pizza und Wein
  • Übernachtung im Hotel (im Einzelzimmer)
  • Kosten: ca CHF 500 (Zugfahrt und Übernachtung im Hotel)

Vorgängiges persönliches Treffen erwünscht.

Bist du dabei? Dann freue ich mich, von dir zu lesen!


Einige Anekdoten, Verstrickungen und imaginäre Gin Tonics später entschied ich, den Trip alleine durchzuziehen. Ich suchte mir also ein nettes Hotel, besorgte mir ein Zugticket und zehn Tage später ging es dann auch schon los. Das Leben kann ja so einfach sein!

Via Mailand und Genua erreichte ich nach gut sieben Stunden Zugfahrt mein frisch renoviertes Zimmer im Hotel Italia e Lido in Rapallo.

Blick von meinem Zimmer auf Schloss Rapallo
Blick von meinem Zimmer auf Castello Rapallo

Rapallo liegt eine gute Zug-Stunde nördlich der Cinque Terre. Dies hat den Vorteil, dass man relativ weit weg vom Schuss ist und hat den Nachteil, dass man relativ weit weg vom Schuss ist. Wer die Cinque Terre zum Ziel hat, der findet möglicherweise geeignetere Ausgangsorte. Egal, Rapallo ist nett, ich hatte eine wirklich gute Zeit dort und es ist wohl nur meiner angeborenen Hartnäckigkeit zu verdanken, dass ich jetzt nicht mit Franco, dem Kellner von nebenan verlobt bin.

Am nächsten Morgen besorgte ich mir die Cinque-Terre-Card und nahm diese gute Zug-Stunde Richtung Süden auf mich. Der Plan war, ab Monterosso, dem ersten der fünf Dörfer, den Küstenwanderweg „Sentiero Azzurro“ zu suchen, welcher die fünf Dörfer in einer gut bewältigbaren Tageswanderung verbindet.
Da jedoch just an jenem Tag der „Sciacche Trail 2019“ (Cinque Terre Ultra Trail) stattfand, war der Wanderweg für gemütliche Wandervögel wie mich an dem Tag gesperrt. Es blieb mir also nichts weiter übrig, als per Zug nach Vernazza, dem nächsten und gemäss Reiseführer schönsten der fünf Dörfer zu reisen.

Vernazza ist wirklich sehr schmuck – eine wahre Perle! Weil meine Beine nach der bequemen Anfahrt per Zug noch superfit waren, entschloss ich mich für einen ausgiebigen Dorfrundgang. Wobei der Rundgang im Falle von Vernazza ja eher ein Auf-und-Abgang ist.

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In Vernazza zählt man vermutlich nicht Schafe zum Einschlafen, sondern Treppenstufen…

Ungezählte Treppenstufen später hatte ich das Castello Doria erreicht und genoss den zauberhaften Ausblick auf das idyllische Vernazza.

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Blick vom Castello Doris… äh Doria in Vernazza

Wieder unten am malerischen Hafen angekommen, gönnte ich mir eine superleckere Pizza mit frischen Tomaten. Ja, ihr habt schon richtig gelesen: FRISCHEN TOMATEN! wo gibts denn sowas noch?

Nachdem ich von einem gut aussehenden Italiener in gelber Staff-Weste und damit quasi aus erster Hand die Mitteilung erhalten hatte, dass der Wanderweg von Vernazza bis nach Corniglia nun geöffnet sei, nahm ich erneut einige Höhenmeter auf mich und arbeitete mich zum Wanderweg hoch. Immer wieder kamen mir Ultra-Trail-Runner entgegen und ich ahnte schon, worauf das Ganze hinauslaufen würde. Und prompt wurde ich erneut aufgehalten und nett aber bestimmt von der Trail-Staff zum Rückzug aufgefordert.
Was für ein Glück, dass ausgerechnet an dieser schicksalhaften Ecke einer ein schickes Restaurant eröffnet hat.

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Und so genoss ich hier nebst einem Gläschen Cinque Terre DOC eine weitere atemberaubende Perspektive auf Vernazza.

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Den restlichen Tag verbrachte ich mit ausgedehnten Berg-und-Tal-Spaziergängen durch die beiden Dörfer Manarola und Riomaggiore und natürlich mit der einen oder anderen Schlemmerei 😋

Für den nächsten Tag, es war der Sonntag, war Regen angesagt. Ich sass beim Frühstück und musste durch die grosszügige Fensterfront feststellen, dass Petrus genau das tat, was die Wetterprognose von ihm verlangte. Am Nachmittag sollte der Regen aufhören. Mit dieser optimistischen Aussicht schnappte ich mir eine weitere Tasse Kaffee, zückte mein Buch hervor und verweilte noch eine ganze Weile an meinem Frühstückstisch.
Erst zum Mittag machte ich mich bei inzwischen nur noch leichtem Regen auf den Weg zum Bahnhof und kaufte mir erneut eine Cinque-Terre-Card. Mit jedem Kilometer den ich Richtung Süden fuhr, wurde es sonniger und als ich Manarola erreicht hatte, herrschte Wetter wie aus dem Bilderbuch.

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vor der malerischen Kulisse von Manarola war ich mal wieder in Selfie-Laune 😉

Dem prächtigen Wetter zuliebe beschloss ich erneut eine kleine Wanderung zu wagen. Wie ich erst viel später (genau genommen erst als ich längst wieder zu Hause war) erfahren sollte, ist der einfache, ca. 2 Kilometer lange  Küstenwanderweg, der „Sentiero Azzurro“, zwischen Manarola und Corniglia voraussichtlich bis 2021 gesperrt – und nein, nicht 20.21 Uhr, sondern 2021 – BÄM! Ahnungslos folgte ich an jenem Sonntag den Wanderwegweisern, die mich automatisch auf die Alternativ-Route, genau: den Sciacche-Ultra-Trail, lotsten. Und so wurde aus der geplanten Easy-Peasy-Sonntagnachmittagswanderung ein harter 14 Kilometer Ultra-Marsch mit überwältigenden Ausblicken auf die ligurische Küste – man gönnt sich ja sonst nix, ey! 😉

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Blick auf das malerische Manarola

Von nun an ging’s bergauf.

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Unterwegs auf dem Sciacche Trail, dem Cinque Terre Ultra Trail

Endlich war Corniglia in Sicht.

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Nach 14 Ultra-Kilometern endlich in Sicht: Corniglia

Bevor ich hier die 332 Stufen vom Dorfkern runter zum Bahnhof in Angriff nahm, gönnte ich mir noch einen kleinen Apéro.

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Eine willkommene Stärkung in den Nationalfarben!

Am nächsten Morgen hiess es bereits Ligurien auf Wiedersehen zu sagen. Tja, liebe Leute, wer „A“ sagt, muss auch „rrivederci“ sagen können, so ist nun mal das Leben.

Ich werde den Verdacht nicht los, dass ich mich nicht zum letzten Mal in dieser wundervollen Ecke herumgetrieben habe.

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