Is that real? Yes, that Israel! (Teil 1)

Früher oder später prasseln sie wohl auf jeden von uns ein, die skurrilen Geschichten über bizarre Konstellationen im Nahen Osten – allen voran Israel und Palästina. In mir stauten sich über die Jahre etliche „Wieso-Weshalb-Warum“-Fragen an und ich erhoffte mir von einem Augenschein vor Ort Antworten auf einige dieser Fragen. Soviel vorweg: ich habe nach meiner Rückkehr aus „The Holy Land“ tatsächlich mehr Fragen, wenn auch auf anderem Niveau.

In einer 8-tägigen Rundreise besuchte ich zusammen mit sieben wundervollen Menschen die wichtigsten Hotspots. Klar, acht Tage sind kurz, aber man schafft es in dieser Zeit locker einmal rundherum. So gross die beiden Länder auf der weltpolitischen Bühne wirken, so klein sind sie rein geographisch betrachtet: Israel und Palästina sind selbst zusammengenommen mit ihren knapp 30’000 Quadratkilometern wesentlich kleiner als die Schweiz. (Genau so habe ich auch geguckt)

Unsere multikulturelle Reisegruppe setzte sich zusammen aus drei Australiern, einer in Australien lebenden Inderin, einer in London lebenden Inderin, einer in London lebenden Singapurerin, einer Amerikanerin mit immerhin deutschen Wurzeln und mir. Zwischen uns allen funkte es auf Anhieb. Ich selbst brauchte einen Moment, bis ich mich sprachlich in der Gruppe eingefunden hatte: die unterschiedlichen Dialekte forderten mich in den ersten Stunden ganz schön heraus und der Tourguide trug mit seinem eigenartigen Akzent seinen Teil dazu bei.

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Meine Trip-Gspänli mitten in der Wüste Negev. Das war ja vielleicht eine verrückte Bande, ey! ❤

An- und Einreise

Das Abenteuer nahm bereits auf dem Flug von Zürich nach Tel Aviv seinen Lauf.  Ich hatte meinen Sitzplatz auf 31C eingenommen und beobachtete wie sich schräg vor mir – auf 30B – ein orthodoxer Jude einrichtete. Es war ein grossgewachsener Mann von korpulenter Statur. Der dicke, schwarze Mantel und der grosse ebenfalls schwarze Hut waren definitiv nicht das perfekte Outfit für die eingeschränkten Platzverhältnisse der Economy-Class. Die weissen Haarlocken baumelten lustig an seinen Schläfen, als ihn ein junger Schweizer darauf aufmerksam machte, dass 30B sein Sitzplatz wäre. Sichtlich nervös kramte der Jude seine Bordkarte aus seiner Westentasche hervor. Tatsächlich! 29B, stand darauf. Der Schweizer reagierte zum Glück sofort und bot an, sich selbst einfach auf 29B niederzulassen. Damit war die Sache erledigt. Zumindest fürs Erste. Bis zur Verteilung des Lunch. Was für eine Aufregung, als dem Juden das Standard-Menu und dem Schweizer die Koscher-Mahlzeit serviert wurde. Und natürlich erinnerten sich die beiden nicht mehr an die Platzwechsel-Szene, weshalb ich mich einmischte und die Verwirrung aufklären konnte. *Bittegern!*

Die Einreise brauche etwas Geduld, las ich in verschiedenen Quellen. Als ich die Passkontrolle erreichte, stellte ich fest, dass lediglich jeweils sieben oder acht Personen in den Reihen vor den Schaltern standen – das konnte ja wohl nicht so schlimm sein!? Als ich jedoch eine Viertelstunde später noch keinen Schritt weiter vorangekommen war, wurde ich skeptisch. Tatsächlich wird hier jede einreisende Person ausführlich interviewt. Auch ich!
Ob dies meine erste Reise nach Israel sei, wollte der Beamte als erstes von mir wissen. Nachdem ich die Frage bejaht hatte, folgten weitere Fragen. Was ich hier genau vor hätte? Wo ich mich aufhalten werde? Ob ich in Israel jemanden kennen würde? Welcher Religion ich angehörte? Ob ich hebräisch spräche?
Ich fühlte mich in ein mündliches Prüfungsszenario meiner Schulzeit zurückversetzt. Es waren einfache Fragen, trotzdem schwang bei jeder Antwort die ich gab eine leise Unsicherheit mit. Die Frage, ob ich in Israel jemanden kennen würde, beantwortete ich beispielsweise spontan und wahrheitsgetreu mit „Nein“, schob aber sofort ein „noch nicht, aber mein Tourguide, der wartet draussen auf mich…“ nach. Das stimmte zwar nicht, klang aber einigermassen plausibel, für den Fall, dass ein reines „Nein“ nicht die optimale Antwort auf die Frage gewesen wäre.
Dass man bei der Religionsfrage die Antwort „Atheist“ vermeiden sollte, hatte ich zum Glück bereits in meiner vorbereitenden Lektüre aufgeschnappt. Die Existenz Gottes zu bezweifeln, stösst in einem Land, in dem die drei monotheistischen Weltreligionen – das Christentum, das Judentum und der Islam – aufeinandertreffen auf wenig kein Verständnis. So leicht komme man aus der darauffolgenden Diskussion jedenfalls nicht raus. Diesen Disput wollte ich mir mit einer kleinen Notlüge ersparen.

Für den Transfer vom Flughafen zum Hotel Melody, von wo aus am nächsten Tag die gebuchte Tour startete, nahm ich mir ein Taxi.
Regel Nummer 1, wenn man sich in einem unbekannten Land ein Taxi nimmt: man verhandelt den Preis im Voraus! Das tat ich mustergültig und die quirlige Hostesse, die mir Taxi Nr. 4 zuwies, drückte mir einen Zettel mit den Konditionen in die Hand. Darauf stand, dass die Fahrt vom Flughafen nach Downtown Tel Aviv pauschal 143 Schekel (ca. 40 CHF) kostete. Das klang fair und ich hatte darauf nur noch eine weitere Frage an die Hostesse:“Kennt der Fahrer diese Bestimmungen auch?“ Freundlich wies sie mich auf die hebräische Übersetzung des relevanten Passus hin. „Alles klar“, bedankte ich mich und konzentrierte mich nun darauf, in denjenigen Wagen des Taxi-Konvois einzusteigen, in den meine Tasche eingeladen wurde…

Da ich – wie weiter oben bereits implizit geoutet – kein hebräisch und der Taxifahrer kein englisch sprach, verlief die rund 45 minütige Fahrt schweigend und unspektakulär. Als ich später an dem Abend von einem meiner Tourgspänli erfuhr, dass sie einfach ins Taxi gestiegen und am Ende satte 400 Schekel hinblättern musste, war ich froh um meine Penibilität. Oder um meine Reiseerfahrenheit. Oder um beides. Herrje!

Tel Aviv

In das Boutique-Hotel Melody hatte ich mich auf der Stelle verliebt. Gleich nach meiner Ankunft und dem Bezug meines wirklich schicken Meerblick-Zimmers, verschaffte ich mir von der Dachterrasse im achten Stock einen Überblick.

Man konnte von hier oben sogar die Schweiz sehen, hach!

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Blick von der Dachterrasse des Hotels Melody auf die Schweizer Botschaft in Tel Aviv.

Um 18.00 Uhr besammelte sich unsere Reisegruppe in der Lobby zum Kickoff der bevorstehenden Tour. Khader, der Tourguide gab uns einige Eckpunkte zur Tour und zu den unmittelbar vor uns liegenden Stunden bekannt. Er lud uns ein, ihn zu einem Sundowner-Spaziergang zum alten Hafen von Tel Aviv zu begleiten. Wir konnten das Angebot natürlich nicht ausschlagen.

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Am Hafen von Tel Aviv, bzw. Te-LOVE-iv

Kurz bevor wir auf dem Rückweg die Uferpromenade Richtung Melody-Hotel hätten verlassen müssen, ergriff ich die Initiative und vermeldete, dass ich unbedingt noch meinen ersten Falafel futtern wollte und dies gerne im chilligen Beizli, an dem wir gerade vorbeigeschlurft waren täte. Die Inderin war von der Idee sofort begeistert und schloss sich mir spontan an.
Und so verbrachten wir Falafel schlemmend und Israelischen Weisswein schlürfend zwei wundervolle Stunden am Mittelmeer-Ufer. Archana verriet mir bei der Gelegenheit, dass die Bereisung des Heiligen Landes seit über dreissig Jahren ganz zu oberst auf ihrer Bucketlist stünde. Ich war gerührt und dankbar zugleich, sie auf diesem Weg und besonders in diesen allerersten Stunden begleiten zu dürfen.

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Wie heisst es doch so treffend: Der Falafel fällt nicht weit vom Stamm!

Mehr zu Tel Aviv folgt in einem weiteren Teil dieser Israel-Serie, versprochen!

Akko

Die Tour startete am nächsten Tag nach einer morgendlichen Stipvisite im schmucken Old-Jaffa (dazu dann später mehr, versprochen!) Richtung Norden – nach Haifa und Akko. Im mittelalterlichen Akko darf man sich den ca. 1000 jährigen Templer-Tunnel nicht entgehen lassen. Der 350 Meter lange Tunnel führt vom Westen der Altstadt komplett unterirdisch zum Hafen und diente den Templern, den letzten Kreuzrittern im Heiligen Land, vermutlich als Fluchtweg.
Der Tunnel wurde erst vor gut fünfundzwanzig Jahren entdeckt. Man sprach damals, im Jahre 1994, von einer archäologischen und bauhistorischen Sensation.

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Eindrücklich: der uralte Templer-Tunnel in Akko

Nazareth

Foto 06.09.19, 17 21 12Auf Nazareth war ich besonders gespannt, immerhin soll hier Jesus seine Jugendjahre verbracht haben.
Verblüfft war ich tatsächlich, als ich, nachdem mir tagsüber bei einer hastigen Bewegung ein Knopf aus der Hose gesprungen war, auf meinem Hotel-Zimmer in Nazareth prompt ein Nähset inkl. Ersatzknöpfen vorfand. Das konnte doch unmöglich Zufall sein?!???

Die Verkündigungsbasilika ist das Aushängeschild Nazareths. Die imposante und doch schlicht anmutende Basilika wurde über der Grotte erbaut, an der der Erzengel Gabriel der Jungfrau Maria erschienen sein soll. Die Basilika ist die grösste Kirche im Nahen Osten.

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Verkündigungsbasilika in Nazareth.

Die Kuppe der Basilika stellt eine umgekehrte Tulpe dar. Der Blütenkelch beschützt sinnbildlich die Gemeinschaft, während Gott im Himmel die Wurzel darstellen soll.

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Die Stimmung in der Basilika lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Gesänge.
  • Gebete.
  • Stille.
  • Demut.
  • Ehrfurcht.

… und im hinteren Teil der Basilika wischte tatsächlich gerade jemand Staub.

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See Genezareth

Weiter führte uns unsere Reise an den See Genezareth, über den Jesus gelaufen sein soll. Meine Theorie ist ja, dass  da eine Verwechslung vorliegen könnte und Jesus nicht über diesen Süsswassersee, sondern über das etwas südlicher liegende Tote Meer gewandert war. Im Toten Meer kann man schliesslich selbst heute nicht untergehen. Was, wenn dessen Salzgehalt vor 2000 Jahren noch wesentlich höher und die Wasseroberfläche dadurch noch undurchdringlicher war? Für mich wäre dies eine durchaus plausible Option – aber wer fragt mich schon?!

Der See Genezareth liegt 200 Meter unter dem Meeresspiegel am Fusse der Golanhöhen, einem disputablen Hochplateau, das eigentlich zu Syrien gehört. Israel nahm die Golanhöhen jedoch im Sechstagekrieg von 1967 aus militärstrategischen Gründen ein. Vom Plateau aus könnte die syrische Artillerie grosse Teile Nordisraels beschiessen, was sie vor 1967 auch regelmässig tat. Die Besetzung der Golanhöhen durch Isreal ist jedoch bis heute international umstritten – mal abgesehen von den Amerikanern, welche der Annektierung vor wenigen Monaten offiziell ihren Segen ausgesprochen hatten, was wiederum – man braucht es an dieser Stelle eigentlich gar nicht zu erwähnen – ebenfalls international umstritten ist.

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Gemäss Tourprogramm wäre ein Stopover im Städtchen Tiberias am See von Genezareth vorgesehen gewesen. Leider machte unser Guide zu dem Zeitpunkt gerade ein Nickerchen im Bus. Jedenfalls verpassten wir Tiberias und fuhren schnurstracks weiter in Richtung Westbank – vorbei an an riesigen Bananen-, Mango- und Dattelpalmen-Plantagen.

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Die Datteln waren hier alle abgedeckt. Unser Driver nahm dies zum Anlass und fragte aus heiterem Himmel: 

👨🏽‍🦱: „do you know why they cover the dates?“

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👨🏽‍🦱: „they are preparing blind dates“
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So, liebe Leute, das war der erste Teil meiner Israel-Serie. Bald gehts an dieser Stelle weiter nach Bethlehem und Jerusalem – stay tuned!

In der Zwischenzeit ein paar Buchtipps gefällig?

Bücher zum Thema

  • Gebrauchsanweisung für Israel und Palästina von Martin Schäuble
    Ich hatte das Buch „Gebrauchsanweisung für Israel und Palästina“ vor meiner Reise bereits zweimal gelesen und ich las es auf der Tour ein drittes Mal. Ich mag den stringenten, fluffigen Schreibstil von Martin Schäuble sehr. Das erste Kapitel des Buchs trägt den Titel „Theater über den Wolken“. Darin vergleicht Martin Schäuble den Flug nach Tel Aviv mit einem Theaterstück auf der ganz grossen Bühne. Der Text ist zum Schenkel klopfen und ich dachte mir, dass das wohl alles etwas übertrieben sei. Aber nein, das ist es nicht.
  • How to understand Isreal in 60 days or less von Sarah Glidden
  • Während die Welt schlief von Susan Abulhawa
  • The Source von James A. Michener