Bolivien ist – wie die Schweiz auch – ein Binnenland. Im Gegensatz zur Schweiz, war dies bei Bolivien allerdings nicht immer so. Bolivien verlor im Zuge des Salpeterkrieges im späten 19. Jahrhundert 400 Kilometer seines Küstengebiets an Chile und damit seinen Zugang zum Pazifik. Es wundert daher nicht, dass die Bolivianer nicht sonderlich gut auf die Chilenen zu sprechen sind.
Bolivien ist eines der ärmsten Länder Südamerikas und dies, obschon es über das drittgrösste Erdgasvorkommen des Kontinents verfügt. Chile seinerseits könnte einen verlässlichen Erdgaslieferanten gut gebrauchen. Der gegenwärtige bolivianische Präsident Evo Morales verfolgt bezüglich des westlichen Nachbarn denn auch eine klare Gib-mir-Küste-und-ich-gebe-dir-Gas-Politik. Doch Chile lässt sich nicht auf diesen Deal ein.
Just an dieser umstrittenen Ecke passierte unser friedvolles Trekking-Grüppchen schliesslich die Grenze zu Bolivien.
Die Reise im Überblick
Ich habe drüben bei GoogleMaps die wichtigsten Stationen und Highlights der gesamten Trekking-Tour erfasst. Dieser Blogpost beschränkt sich auf den Bolivien-Teil und schliesst damit nahtlos an den Chile-Teil an.
¡Adiós Chile, hola Bolivia!
Nachdem wir tags zuvor zum krönenden Abschluss des Atacama-Trekkings den Gipfel des Cerro Toco auf sage und schreibe 5’616 Metern über Meer erklommen hatten (mehr dazu hier), hiess es nun Abschied zu nehmen. Abschied von der imposanten Atacama-Wüste, Abschied von Chile und damit auch Abschied von unserer chilenischen Crew.
Es erfolgte ein fliegender Wechsel direkt am Grenzposten. Vom chilenischen Kleinbus, in dem jedes Gruppenmitglied einen Doppelsitz bequem für sich alleine beanspruchen konnte, galt es nun näher zusammenzurücken und uns auf die bereitstehenden Allradfahrzeuge aufzuteilen.

Team Theo 👭👭 und die Wüsten des Altiplanos
Zusammen mit drei anderen alleinreisenden Mädels platzierte ich mich im Wagen von Theo. Es war eine phantastische Wahl, wie sich bald herausstellen sollte. Es folgten drei herrlich unkomplizierte, kurzweilige Tage in denen uns Theo galant durch die Wüsten Salvador Dalí und Siloli kutschierte, während wir auf der Rückbank vergnügt quietschend über Gott, die Welt und mehr plauderten. Ein Hoch auf „Team Theo“!!! Danke, Mädels, ihr ward Spitze! 😍😂
Bald fiel uns auf, dass Theos Auto kein GPS hatte. Wir gingen in der logischen Konsequenz davon aus, dass der vorderste Wagen des Konvois mit einem entsprechenden Instrument ausgestattet war. Doch Theo verneinte. Man orientiere sich hier einzig und allein am Horizont. Wow!

Theos Landcruiser war das Montagsauto des Konvois. Der Wagen kränkelte und musste während der Tour mitten in der Wüste mehrmals überbrückt oder improvisiert repariert werden. Sogar ein Ausbau der Batterie war mit dabei.

Ich bewunderte die mechanischen Fähigkeiten und das Improvisationsgeschick der bolivianischen Jungs. Man hätte fast den Verdacht schöpfen können, dass es nicht das erste Mal war, dass sie sich solcher Tricks bedienen mussten 🤔
So geht Tanken in der Wüste 😉 (Foto: E. Arnold)
Die Lagunen des Altiplanos: Same same but different…
Der Weg führte von einer Lagune zur nächsten: Laguna Verde, Laguna Blanca, Laguna Colorada und wie sie alle hiessen. Jede ist schön und auf ihre Weise einzigartig. Immer wieder unternahmen wir in dieser wundervollen Gegend des Altiplanos kleine Wanderungen.


Wir befanden uns stets auf rund 4’000 Metern über Meer und gelangten selbst bei flachen Etappen ausser Atem. Und wenn uns nicht die dünne Luft den Atem raubte, dann diese unglaublich farbenprächtigen Lagunenlandschaften.
Die rote Färbung ist einer speziellen Algenart zu verdanken, die sich bei tiefem Wasserstand besonders üppig ausbreitet. In diesen roten Algen tummeln sich Millionen von kleinen Krebsen, die ebenfalls dieses Karotinoid, diesen rot färbenden Stoff enthalten. Und nun ratet mal, warum die Flamingos, die sich in der Lagune zu Hauf versammeln ausgerechnet einen rötlichen Teint haben? Wie heisst es doch so treffend: man ist, was man isst.

Leider hatten wir bei den Thermalquellen „Termas de Polques“ unsere Badehose nicht griffbereit, weshalb wir die Planscherei hier verpassten. Ein Grund mehr, später in diesem Leben nochmals hier vorbei zu schauen.

Geysir Sol de Mañana 🌋
Schliesslich erreichten wir den Geysir Sol de Mañana (Morgensonne). Nach dem eindrücklichen Erlebnis bei den Geysiren des El Tatio vor ein paar Tagen (mehr dazu hier) hatten wir nun eine konkrete Vorstellung was uns in einem Geysirfeld erwarten könnte. Und siehe da: auch hier blubberte und dampfte es überall aus dem Erdboden. Und trotzdem war es komplett anders – same same but different.
Es war ein intensiver Tag. Der „Arbol de Piedra“ war die letzte Station auf unserer Tages-Todo-Liste.

Es sei nun nicht mehr weit bis zum Hotel, hiess es. Irgendwie konnte ich noch gar nicht glauben, dass wir überhaupt jemals wieder auf Zivilisation treffen würden. Doch dann tauchte plötzlich – aus dem Nichts – das Tayka del Desierto auf. Eine Oase mitten in der Wüste, auf 4’600 Metern über Meer.

Der Sternenhimmel hier draussen, fernab von jeglicher städtischer Lichtverschmutzung, ist schlicht grandios. Das Tayka del Desierto ist insofern also nicht etwa ein drei- oder vier-, sondern ein Millionen-Stern-Hotel.
Es war die höchst gelegene Übernachtung auf der ganzen Tour und in meinem ganzen bisherigen Leben. Wir reden hier – notabene – vom Höhenniveau des Matterhorns.
Blick aus dem Zimmerfenster des Hotels Tayka del desierto.
Ich war gespannt, wie es sich anfühlen würde, auf dieser Höhe zu schlafen. Und ja, es fühlte sich an. Und wie, herrje! Die ganze Nacht über plagte mich ein starker stechender Kopfschmerz. An Schlaf war kaum zu denken. Besonders heftig war der Schmerz, wenn ich mich in meinem Bett von einer Seite auf die andere drehte. Also beschloss ich, mich möglichst nicht zu bewegen, was eine Verkrampfung der gesamten Schulter- und Nackenmuskulatur zur Folge hatte. Aber genug gejammert! Es war eine wahnsinnig eindrückliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
Salar de Uyuni –– Dreaming for a White Xmas 🎄
Mein persönliches Highlight der Reise war der Salar de Uyuni. Mit einer Fläche von sagenhaften 10’000 Quadratkilometern (dies entspricht einem Viertel der Fläche der Schweiz) ist er der grösste Salzsee der Welt.
Im Salar wird das weltweit grösste Lithium-Vorkommen vermutet. Aus Lithiumkarbonat lassen sich besonders leistungsstarke Batterien herstellen, die beispielsweise in Elektroautos eingesetzt werden. Damit hat der Rohstoff insbesondere in der Automobilindustrie ein enormes Potenzial und wird daher auch „weisses Öl“ oder „weisses Gold“ genannt. Bolivien, allen voran Evo Morales, erhofft sich durch den Abbau von Lithium den ersten nachhaltigen Aufschwung für sein Land und erklärte den Rohstoff zur strategischen Ressource. Welche Konsequenzen der gross angelegte Lithium-Abbau auf die einzigartige Salzwüste haben wird, lässt sich heute nur erahnen.
Mitten im See befindet sich die Insel „Inca Huasi“. Markenzeichen der Insel sind ihre riesigen Kakteen. Es sind vier, fünf, sechs und sogar über acht Meter hohe Giganten. Ein Kaktus wächst pro Jahr nur gerade 1 Zentimeter. Die stacheligen Kumpels hier haben also bereits Jahrhunderte auf dem Buckel. WAHNSINN!!!

Positiv überrascht hat mich, wie locker man sich auf dem See und auf der Insel bewegen konnte. Aus anderen Destinationen ist man sich ja gewohnt, als Tourist an jeder Ecke in die Schranken gewiesen zu werden, aber hier am Salar de Uyuni war alles herrlich entspannt.

Während wir die Insel erkundeten, bereitete unsere Crew den Lunch zu. Angekündigt wurde ein „Picknick auf dem Salar“. Na ja, ein ziemlich vornehmes Picknick, finde ich 😂
Die gammligen Plastikstühle und Tische wurden kurzerhand mit schicken Stoffen überzogen. Das Leben kann so einfach sein.
Zum krönenden Abschluss des tollen Tages in der Salzwüste stand uns eine Übernachtung in einem Salzhotel bevor. Salz war hier das überwiegende Material der Bausubstanz und die Gänge waren nicht etwa mit Steinplatten oder Teppich belegt, sondern mit Zentimeter dickem Salz-Kies. Für einmal waren Rollkoffer-Piloten klar im Nachteil und der Gepäckjunge wurde hier nur allzu gerne in Anspruch genommen. Für den Gang zur Lobby oder dem Restaurant mussten Flipflops für einmal den währschaften Wanderstiefeln weichen.

Potosí: einst die grösste Stadt der Welt
Nach der überwältigenden Zeit in der Salzwüste am Salar de Uyuni nahmen wir Kurs auf Potosí. Die Silberminenstadt war im 17. Jahrhundert die grösste und reichste Stadt der Welt. Das ist lange her, sehr lange. Das Leben wird hier auch heute noch von den Minen am Cerro Rico, dem „reichen Berg“, geprägt, aber die Umstände haben sich dramatisch verändert. Nichts ist hier mehr, wie es mal war.
Wir blieben eine Nacht in Potosí und nahmen am nächsten Tag Sucre, die Hauptstadt Boliviens ins Visier.
Spieglein, Spieglein an der Wand…
… wer ist die Schönste im ganzen Land? fragte Potosí und der Spiegel antwortete:“du warst lange Zeit die Schönste und Reichste, aber heute ist Schneewittchen, über den sieben Bergen bei den sieben Zwergen (Anmerkung: die Bolivianer sind aber auch klein, ey!) tausendmal schöner als du.
Ich mochte das zauberhaft weisse Schneewittchen (auch bekannt unter dem etwas phantasielosen Namen „Sucre“) auf Anhieb ❤️
Titicacasee
Von Sucre ging es schliesslich per Inlandflug nach El Alto und von dort weiter zum berühmten Titicacasee, dem höchst gelegenen schiffbaren See der Welt. Es wäre keine Trekking-Reise, wenn wir hier nicht durch diese malerische Kulisse gelatscht wären.

Die quirlige Rosemarie war an dem Tag unser lokaler Tour-Guide. Mit viel Charme und Humor führte sie uns über Stock und Stein und erzählte uns viel über Land und Leute und das Leben am Titicacasee. Mich persönlich beeindruckten ja Rosemaries Wanderschuhe am meisten 👠 😂
Seilbahn-Paradies La Paz
Ich hatte im Vorfeld gelesen, dass es in der Stadt La Paz Seilbahnen geben soll, hatte mir aber keine Mühe gemacht, weitere Hintergründe dazu in Erfahrung zu bringen. Hand auf’s Herz: wenn uns Schweizern nach Luftseilbahn fahren zumute ist, brauchen wir dafür nicht um die halbe Welt zu reisen. Entsprechend erwartungslos traf ich in La Paz ein. Doch letztlich war es genau dieses grandiose Seilbahn-Netz, das mich hier am allermeisten beeindruckte. Als öffentliches Verkehrsmittel verbindet es das dicht bebaute La Paz mit der Industriestadt El Alto, wo sich auch der Flughafen befindet.
Die erste Linie wurde im Mai 2014 in Betrieb genommen. Im Jahre 2020 soll das Seilbahnnetz mit über 30 Kilometern abgeschlossen sein.
Das zukunftsträchtige Projekt trägt ganz klar die Handschrift von Evo Morales. Als Bauherr wurde die österreichische Firma Doppelmayr verpflichtet. Die Gondeln stammen – zumindest teilweise – aus der Schweiz. Wer hat’s erfunden? 😉
¡Hasta luego, Altiplano!
In La Paz endete unsere zweiwöchige Trekking-Tour durch den Altiplano. Von nun an ging es abwärts. Von La Paz auf rund 4’000 Metern führte mich meine Heimreise in einer ersten Etappe nach Lima (Peru) auf gut 100 Metern.
In Lima erlebte ich übrigens einen äusserst amüsanten Zwischenstopp: Mein Stop-Over bei den Schönen und Reichen in Lima Viel Spass bei der Lektüre!