Eines gleich vorweg: der Adrenalinkick, den mir meine pannenreiche Anreise zum Flughafen Zürich beschert hatte, wurde während der gesamten Trekking-Tour in den Anden nicht mehr getoppt.
Just in dem Moment, als ich den letzten Task auf meiner Abreise-Checkliste abgehakt hatte, erreichte mich an jenem Nachmittag nämlich die Nachricht über eine Störung im Schweizer Schienenverkehr. Es müsse mit Zugausfällen und Verspätungen gerechnet werden, hiess es. Da ich sowieso startklar war, entschied ich, bereits ein knappes Stündchen früher als vorgesehen, zum Flughafen aufzubrechen. Als ich die Menschenmassen und das wirre Treiben auf dem Bahnhof erblickte, wusste ich, dass die Entscheidung klug war.
Normalerweise dauert die Fahrt zum Flughafen vierzig Minuten. Doch diesmal hatte ich es in vierzig Minuten gerade mal bis ins Epizentrum des totalen Kollaps geschafft – mitten drin, statt nur dabei, ey! Nach dramatischen über 2,5 Stunden, in denen ich viel Kampfgeist und Improvisationstalent bewies, erreichte ich das Checkin gerade mal zehn Minuten vor dessen Schliessung. Das war knapp, puhh.
Die restlichen knapp 12’000 km meiner Reise nach Santiago de Chile verliefen – im Vergleich zu diesen ersten 40 km – dann glücklicherweise herrlich entspannt.
Die Reise im Überblick
Ich habe drüben bei GoogleMaps die wichtigsten Stationen und Highlights des gesamten Trips erfasst. In diesem ersten Blogpost beschränke ich mich auf den Chile-Teil. Im nächsten Bericht knöpfe ich mir Bolivien vor.
Ausgangs- und Besammlungspunkt für die Tour war Santiago de Chile. Dort traf ich auf die restlichen 14 Gruppenmitglieder.
Bereits am nächsten Tag verliessen wir die Hauptstadt Chiles und flogen nach Calama im nördlichen Drittel des über 4000 km langen Landes.
Eine schöne Wüste 🏜️
Die Überschrift hört sich im ersten Moment vielleicht nach einem Widerspruch an. Kann denn eine Wüste schön sein? Oh ja, sie kann!

Seit vielen, vielen Jahren faszinieren mich Wüstenlandschaften. Nach dem Outback, der Namib, der Kalahari, der Karoo und wie sie alle hiessen, konnte ich es kaum erwarten, endlich die Atacama, die trockenste Wüste der Welt, zu erkunden. An gewissen Orten ist hier bereits seit Jahrzehnten kein Regen mehr gefallen. Sogar im Death Valley fällt fünfzig Mal mehr Regen. Im Westen verhindert der Humboldtstrom an der Pazifikküste die Bildung von Regenwolken und im Osten/Nordosten schafft es die feuchte Luft aus dem Amazonasbecken partout nicht über die Andenkette. Na ja, ein bisschen in Schutz nehmen muss ich die feuchte Luft jetzt schon. Es ist tatsächlich nicht ganz einfach, auf, geschweige denn über diese Fünf- und Sechstausender zu kommen, wie ich noch am eigenen Leib erfahren sollte – aber dazu dann später.
Valle de la Luna 🌙
Nach dem Bezug unseres Hotels in San Pedro, der Wüsten-Hauptstadt, ging es direkt ins Valle de la Luna weiter. Hier stand uns am späteren Nachmittag eine Wanderung durch die bizarre Mondlandschaft bevor.
Natürlich waren wir hier nicht die einzigen wanderlustigen Geschöpfe:

Zur Abenddämmerung greift Mutter Natur hier besonders tief in die Trickkiste und zaubert ein herrliches Farbenspektakel ins Tal. Während wir diese einmalige Stimmung ehrfürchtig in uns aufsogen, überraschten uns unsere Guides mit einem tollen Sundowner-Apéro.

Salzseen und Lagunen
Die ersten drei Tage in der Atacama dienten der Akklimatisierung und so beschnupperten wir die liebliche, andinische Hügellandschaft bei San Pedro von angenehmem Säntis-Niveau aus. Als gebürtige Ostschweizerin kommt mir zum Höhen-Niveau um die 2’500 Meter spontan der Säntis in den Sinn – ich bitte um Nachsicht!
Im Zuge diverser Ausflüge stiessen wir tagsüber immer mal wieder in höhere Gefilde vor und unternahmen hier jeweils kurze Wanderungen. Es ist wichtig, den Körper langsam und häppchenweise an die Höhe zu gewöhnen. „Hoch steigen, tief schlafen“, raten die Experten von Bergwelten.
Mal Hand aufs Herz, wenn von Sechstausendern die Rede ist, bäumen sich einem vor dem geistigen Auge doch gleich mal gigangtische Felssäulen auf, oder etwa nicht? Ich jedenfalls konnte es gar nicht richtig glauben, dass diese lieblichen Hügelchen tatsächlich die Anden sein sollten. Wenn man dann aber bedenkt, dass man sich beim Betrachten der Hügelchen selbst auf einer stolzen Höhe befindet, relativiert sich das Ganze natürlich.


Die Geysire des El Tatio 🌋
Am nächsten Tag brachen wir bereits um 5.00 Uhr auf zu den Geysiren des El Tatio auf knapp 4’500 Metern. Es ist das höchst gelegene Geysirefeld der Welt.
Das Thermometer zeigte bei unserer Ankunft unglaubliche minus 13 Grad an, entsprechend warm hatten wir uns für diese morgendliche Exkursion eingepackt. Wer das Fontänen-Spektakel am El Tatio sehen möchte, muss unbedingt vor Sonnenaufgang vor Ort sein. Erstens ist das Naturschauspiel mit den ersten Sonnenstrahlen am eindrücklichsten und zweitens ist der Spuk mit zunehmender Temperatur dann rasch vorbei.
Die Szenerie am El Tatio ist faszinierend. Überall blubbert und dampft es aus dem Erdboden und es liegt ein beissender Schwefelgeruch in der Luft. In mir wurden sofort Erinnerungen an den gigantischen Yellowstone-Nationalpark, an die Kanaren und last but not least an Island wach. Im Gegensatz zu jenen Destinationen blubbert es im Geysirefeld von El Tatio, aufgrund der exklusiven Höhenlage, jedoch bereits ab ca 85 Grad Celsius und nicht erst bei 100 Grad.

Die Geysire verstummten, dafür knurrten nun unsere Mägen. Im Nu hatte unsere Crew ein reichhaltiges Frühstücksbuffet herbeigezaubert. Ein tolles Erlebnis, mitten in dieser einzigartigen Kulisse und mit dem wundervollen Geruch von faulen Eiern in der Nase feudal zu brunchen. (Ironie beiseite: es war wirklich toll! 😀)
Eigentlich hätte sich hier jeder sein Frühstücks-Ei selbst bis zur gewünschten Härte zubereiten können. Kochendes Wasser hätte es ja genügend. Allerdings bezweifle ich, ob rohe Eier den Transport auf der holprigen Zufahrtspiste am frühen Morgen überlebt hätten.
Je dünner die Luft, desto fetter das Panorama
Am vierten und letzten Tag in der Atacama-Wüste stand uns schliesslich noch die Königsdisziplin bevor: die Besteigung des Cerro Toco, dessen Gipfel sich auf sagenhaften 5’616 Metern über Meer befindet. Wir starteten unsere Wanderung auf ca. 5’000 Metern.
Solange ich im Auto sass, merkte ich rein gar nichts von der Höhe. Doch mit der ersten hastigen Bewegung beim Verlassen des Autos war mein innerer Schiedsrichter sofort zur Stelle. „Foul!“, schrie er. Dann zückte er mit einem süffisanten Grinsen die gelbe Karte aus seiner Brusttasche und verwarnte mich gleich mal mit einem kurzen aber heftigen Stich durch die gesamte Schädeldecke – autsch!
Nach dieser ersten, schmerzhaften Lektion, ging ich alles weitere dann automatisch einen Tick langsamer an und setzte achtsam – stets in Kontakt mit meinem inneren Schiedsrichter – einen Fuss vor den anderen.
Ich halte hier an Position 5 tapfer mit… (Foto: F. Fischer)
Pausen sind wichtig und der Orangensaft aus der Lunch-Box wird zum willkommenen Zuckerlieferant. Primär aus Interesse und weniger aus akutem Anlass, liessen wir hier auch unseren persönlichen Sauerstoffwert bestimmen.
«Der Sauerstoffgehalt in der Luft beträgt in jeder Höhe 21%. Durch abnehmenden Luftdruck steht dem Körper auf über 8.000 m aber nur noch ein Drittel des Sauerstoffs auf Meereshöhe zur Verfügung. Das erklärt, warum die allermeisten Höhenbergsteiger auf künstlichen Sauerstoff zurückgreifen.»
(Quelle: Bergwelten.com)
Ich fand die Erfahrung, wie mein eigener Körper (und mein innerer Schiedsrichter) sich mit diesen ungewöhnlichen Gegebenheiten arrangierte, extrem spannend. Und, wie soll ich sagen, wir waren ein verdammt starkes Team: mein Körper, der Schiedsrichter und ich. Und ja, natürlich schwang eine grosse Portion Dankbarkeit mit, als ich oben auf dem Gipfel des Cerro Toco – auf sage und schreibe 5’616 Metern über Meer – die Hände zum Himmel warf und ein stolzes ¡Caramba! in die dünne Andenluft schrie.

Das Panorama vom Gipfel des Cerro Toco ist atemberaubend schön.

Nach diesem Höhenflug ging es zurück nach San Pedro und damit buchstäblich nur noch bergab – bis Säntis-Niveau eben 😉
Der Rest des Tages stand zur freien Verfügung. Ich nutzte die Zeit für einen Spaziergang durch die staubigen Gassen San Pedros.
Am nächsten Morgen hiess es bereits Abschied nehmen von der wundervollen Atacama-Wüste. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier nicht zum letzten Mal war…
Mein uneingeschränktes Fazit zur Atacama-Wüste:
Oh ja, das ATACAMA schon so machen,
aber dann bleibt es halt
auf immer und ewig im Herzen! ❤️
P.S. während ihr diese Zeile lest, versammeln sich in meinem Kopf bereits die Puzzle-Teile für die Fortsetzung dieser Blogserie. In diesem Sinne: dieses war der erste Streich, doch der zweite folgt sogleich – wir lesen uns drüben in Bolivien!
P.P.S. als Überbrückung kann ich diese Anekdote aus Lima offerieren 🤠
¡Hasta luego, amigos! 🙂