Nicht Hänsel, nicht Gretel, sondern Doedel verirrte sich im Wald…

Es war ein wundervoller Tag im Krüger Nationalpark. Wir hatten Glück und konnten uns tags zuvor gerade noch den allerletzten Platz in Skukuza, dem grössten Camp im Park, sichern. Das riesige Areal mit seiner grosszügigen Infrastruktur inmitten des Nationalparks hat viele Vorteile, Orientierungsbanausen wie mich stellt es aber auf eine harte Probe, wie ich am eigenen Leib erfahren sollte. Aber alles der Reihe nach.

Wir erreichten das Camp am späten Nachmittag und platzierten Guschti, unseren Camper, auf einem der wenigen noch nicht besetzten Quadratmetern. Es gab hier keine klar definierten, nummerierten Plätze, ergo gab es kein Richtig oder Falsch, wie man sein Vehikel parkte. Alles schien hier herrlich unkompliziert zu sein, das gefiel uns. Das reichlich chaotisch anmutende, emsige Treiben auf dem Campingplatz erinnerte mich an mein Wimmelbuch, mit dem ich mich in den frühen Jahren meiner Kindheit stundenlang verweilen konnte, weil es auf jeder einzelnen Seite so vieles zu entdecken gab. Mitten in dieser Wimmelbuch-Szenerie im legendären Krüger Nationalpark klappten wir schliesslich unsere Dachzelte auf.

Foto 11.05.18, 16 28 23
Symbolbild. Das Bild stammt nicht aus dem besagten Skukuza-Camp im Krüger Nationalpark. Man stelle sich bitte mehr – deutlich mehr(!) – Betrieb drumherum vor… 😉

Neben uns hatte sich eine alleinreisende junge Frau mit ihrem Opel Corsa und einem Minizelt eingerichtet. Wie um alles in der Welt kann man sich den Krüger-Nationalpark mit Corsa und Minizelt antun? fragte ich mich insgeheim, hielt aber beim kurzen Begrüssungs-Smalltalk diplomatisch die Klappe. Es ging mich nichts an. Punkt.
Dass mir genau dieser Corsa und genau dieses Minizelt am gleichen Abend noch den Kragen retten würden, ahnte ich zu jenem Zeitpunkt noch nicht.

Der Safari-Tag war heiss und staubig. Nun hiess es erst mal ab unter die Dusche. Die sanitären Einrichtungen befanden sich ein gutes Stück von unserem Stellplatz entfernt. Meine Freundin und ich schnappten also Bade-Ente & Co. und machten uns auf den Weg einmal quer durch den Campingplatz zum Dusch-Block. Nina war wie immer ruckzuck fertig mit ihrer Toilette und rief mir ein „ich gehe schon mal vor und bereite den Apéro zu“ durch die lottrige Türe meiner Duschkabine zu. „Alles klar, bis gleich“, rief ich.

Als ich vielleicht zehn Minuten nach meiner Freundin den Dusch-Block verliess, stellte ich fest, dass bereits die Nacht über Skukuza hereingebrochen war. Aufgrund der geringen Entfernung zum Äquator bricht die Dunkelheit im südlichen Afrika wesentlich rascher herein, als wir Europäer es uns von unseren Breitengraden gewohnt sind. Keine halbe Stunde dauert hier nämlich die Dämmerung. Ich hätte es so langsam aber sicher wirklich wissen müssen, doch diese Tatsache verblüffte mich während der ganzen Reise täglich aufs Neue. Langer Rede, kurzer Sinn, Fakt ist, dass es zum Zeitpunkt als wir unseren Guschti verlassen hatten und zu den wohltuenden Duschen aufgebrochen waren, noch hell war und jetzt war es dunkel. Stockdunkel.
An jeder Ecke brannten nun kleine oder grössere Lagerfeuer. Sie verliehen dem Camp einen komplett neuen Touch. Beim Hinweg war ich einfach neben Nina hergetrottelt. Klar hatte ich mir einige mir relevant erscheinenden Punkte an Weggabelungen zu merken versucht. Doch all diese Bemühungen bei Tageslicht waren nun bei Nacht für die Katze!
Wie ein ausgesetzter Dackel irrte ich in der Folge durch das Stellplatz-Labyrinth. Ohne Erfolg. Im Gegenteil. Je länger ich herumirrte, desto mehr verblassten selbst die letzten Anhaltspunkte in meiner Erinnerung, desto mehr verwirrten mich all die Lichter, die da vorhin noch nicht waren, desto mehr ärgerte ich mich über meinen wirklichwirklichwirklich schlechten Orientierungssinn.
Wären die Stellplätze wenigstens nummeriert gewesen, dann hätte ich mich durchfragen können.  Und hätte ich mein Telefon dabei gehabt, hätte ich Nina anrufen und um Hilfe bitten können. Wäre. Hätte. Würde. Herrje!

Als ich zum wiederholten Mal an der einen Kreuzung vorbeikam, hielt mich das ältere Ehepaar von der Eck-Parzelle auf. Ob ich etwas Bestimmtes suchen würde, wollten sie wissen. „Ja, allerdings“, erwiderte ich höflich und mit verzweifeltem Unterton in der Stimme, „meinen Camper. Ich suche meinen Camper. Er muss hier irgendwo sein.“ Die Situation war mir peinlich, keine Frage. Ich hätte auf der Stelle im staubigen Erdboden versinken können.
Was für ein Camper es denn genau sei, erkundigte sich der sympathische Herr.
„Ein weisser Toyota Hilux“, erwiderte ich, wohlwissend, dass uns diese Information keinen Deut weiterbringen würde. Immerhin waren gefühlt 90% der Autos auf dem Skukuza-Camp weisse Toyota Hilux.
Nach einer Weile stiess ein weiterer Pensionär zu uns und blickte fragend in unsere aufgebracht gestikulierende Gruppe.
„Das Girl hier hat sich verirrt und findet nicht mehr zu ihrem Camper zurück!“, brachte die ältere Dame das Dilemma fadengerade auf den Punkt.
„Oh dear“, murmelte der Neu-Ankömmling voller Anteilnahme. Er musterte mich von Kopf bis Fuss und fügte dann stirnrunzelnd hinzu:“Dich kenne ich doch? Du bist doch die grosse Lady mit dem winzigen Zelt? Ich frage mich die ganze Zeit, wie du da bloss reinpasst?!“
„NEIN!“, schrie ich. Der Schrei war eine Mischung aus Entrüstung, dass man mir einen solchen Reisestil überhaupt zutrauen konnte und aus Erleichterung ob dem Hoffnungsschimmer der sich aus der Wortäusserung sofort in mir entzündete. „Aber die Lady mit dem kleinen Zelt ist meine Nachbarin“, fügte ich sofort hinzu und erklärte, dass ich von dem winzigen Zelt aus meinen eigenen Camper rasch finden würde.
„Alles klar, Darling, dann bringe ich dich jetzt nach Hause“, schmunzelte der Opa, zwinkerte dem Ehepaar keck zu und bot mir seinen Arm an, damit ich mich ihm unterhaken konnte.

Nina wartete wie abgemacht mit dem Apéro auf mich. Und sie tat dies mittlerweile seit einer geschlagenen Stunde. Sie staunte nicht schlecht, als ich in charmanter, männlicher Begleitung um die Ecke bog 🙂

Übrigens: Leser, die diese Geschichte gelesen haben, haben auch den Artikel Roadtrip durch das südliche Afrika gelesen 😉

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